Bis 2025 soll der Gebäudebestand in Deutschland klimaneutral sein, was einen Bedarf an zusätzlicher Energie aus standortnahen, erneuerbaren Quellen mit sich bringt. Um dies zu erreichen, sind zusätzliche Flächen für die Installation von Photovoltaik-Anlagen nötig. Dazu können organische PV-Module (OPV) beitragen. Statt aus Siliziumkristall bestehen diese aus organischen Polymerverbindungen, was sie besonders leicht und flexibel macht und ihren Einsatzbereich erweitert. Sie sind außerdem günstig und umweltschonend in der Herstellung.
Das Forschungsprojekt „Adaptive Sun Skins“ erarbeitete eine Grundlage für die Integration organischer Photovoltaik in dünne 3D-Polycarbonat-Trägersysteme zur Anwendung auf multifunktionalen Fassadenpaneelen. Das Gemeinschaftsprojekt steht unter der Leitung von Prof. Dr. Markus Schein und Dipl.-Des. Max Stein von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) sowie Prof. Dr. Timo Carl und Dipl.-Ing. Roger Logo von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). Gefördert wurde es vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung betreut.
Der kürzlich veröffentlichte Forschungsbericht bietet Einblicke in die Materialwahl und Fertigungstechniken, erläutert die entwickelten digitalen Planungswerkzeuge und gibt Aufschluss über die potenziellen ökologischen Vorteile der OPV-Technologie, insbesondere hinsichtlich CO₂-Einsparungen und der Reduktion von Materialeinsatz im Vergleich zu traditionellen PV-Systemen. Ein erfolgreicher Demonstrator wurde prototypisch gebaut und veranschaulichte die technische Umsetzbarkeit.
Zentrales Element des Projekts war die Entwicklung eines Polycarbonat-Trägersystems, das im Thermoforming-Verfahren aus dünnen Folien gefertigt wird, um eine möglichst hohe Materialeffizienz zu erreichen. Dem Verfahren ging eine Analyse von dreidimensionalen Strukturen voraus, wie sie zur Stabilität im Verpackungsdesign, Koffer- und Karosseriebau zu finden sind. In Kombination mit einer Deckschicht und einer Lage OPV-Module entsteht eine wetterbeständige, langlebige Sandwich-Konstruktion. Ein digitales Planungswerkzeug unterstützt Architekten und Planer in der Modellierung, Strahlungsanalyse und bei statischen Simulationen.
Polycarbonat (PC) erwies sich als ideales Material für das Trägersystem, da es UV-stabil und brandsicher ist. Im Tiefziehverfahren konnte es präzise verformt werden, ohne die optische Qualität zu verlieren. In Kleinserien wurden 13 Testpaneele mit nur 2 mm starkem PC in Verbindung mit OPV-Modulen erstellt. In FEM-Simulationen und physischen Tests wurde die Belastbarkeit des Systems bestätigt. Die CO₂-Äquivalente der Polycarbonat-Trägersysteme zeigen eine signifikante Materialeinsparung von etwa dem Faktor 2,5 im Vergleich zu flachen Polycarbonat-Trägern und dem Faktor 3,7 im Vergleich zu Glas. Diese Schätzungen sind konservativ und könnten durch weitere Optimierungen verbessert werden.
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zeigen das Potenzial, das in der Verwendung von OPV in urbanen Architekturkontexten steckt. Durch ihre Transparenz, Leichtigkeit und vielfältigen Gestaltungsformen eignet sie sich zur Nutzung als Verschattungsfläche oder zur Fassadengestaltung. Langfristig könnte die folienbasierte, gebäudeintegrierte PV als Ergänzung zu bestehenden PV-Systemen ein wesentliches Potenzial für die Energiegewinnung erschließen.
Der erfolgreiche Demonstrator des Projekts wurde auf mehreren bedeutenden Veranstaltungen wie der Bau München 2023, der MS Wissenschaft 2022 und dem IBA Festival in Stuttgart/Backnang präsentiert. Die Zusammenarbeit der Hochschulen hat Netzwerke ermöglicht und eine Grundlage für zukünftige Forschungsprojekte geschaffen. Die digitalen Planungstools und die gewonnenen Daten können den Industriepartnern bei der weiteren CO₂-Einsparung helfen und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen.