Interview FSB
Projekt „Metallguss“ SoSe 2020 - Ein Interview mit FSB
vom 9. Juni 2020 von: Katharina Benski, Regina Kelmeter, Hannah Wilk, Hannah Willing
Zu dem Unternehmen FSB:
Im Jahre 1881 wurde FSB in Iserlohn gegründet. 1909 erfolgte der Umzug ins ostwestfälische Brakel, dem heutigen Sitz der Firma. Die Buchstaben FSB stehen für den Firmengründer Franz Schneider und den Firmensitz Brakel. FSB ist international bekannt für die Herstellung von Tür- und Fensterbeschlägen, auch mit elektronischen Zusatzlösungen und barrierefreie Griffsysteme für Bäder und WCs. FSB bietet mit über 25.000 Produkten eine große Vielfalt an „funktional hochwertigen Systemlösungen für Türen und Fenster.“
Anhand des Modells „FSB 1012“ haben wir Herrn Reul ein paar Fragen gestellt:
[Regina Kelmeter:] „Gibt es Grundsätze, die für FSB ein gutes Design ausmachen?“
[Wolfgang Reul:] „Ja, es gibt natürlich Leitsätze. Gutes Design soll aus unserer Sicht immer langlebig sein. Bei FSB unterwirft man sich nicht so gerne dem Zeitgeist, denn der ist ein ziemlich schnelllebiger Geist, und da muss man relativ oft in kurzen Zeitabständen Produkte austauschen.
Wenn man sich unser Angebot ansieht, wird man feststellen, dass es eine ganze Reihe von Produkten gibt, die teilweise schon über Jahrzehnte im FSB-Handbuch zu finden sind. Stellt man die Frage: ‚Was ist gutes Design?‘ gelten für mich u. a. die Aussagen von Jasper Morrison. Gutes Design, also immer mit dem Blick auf die Türklinke (das ist auch ein Stück das Erfolgsgeheimnis von FSB), muss gut in der Hand liegen, und es muss eine Geschichte erzählen. Gutes Design, und jetzt beziehe ich die Architektur mit ein, ist immer dann gut, wenn ein Haus oder ein Design auch nach 20 bis 30 Jahren noch gerne anzuschauen ist.“
[Regina Kelmeter:] „Gutes Design muss gut in der Hand liegen. Würden Sie sagen, das ist auch das Motto von FSB?“
[Wolfgang Reul:] „Nein, nicht immer. Es gibt bei uns schon unterschiedliche Sichtweisen und Zeiten. In den 1950 Jahren dominierte das ‚Handformdesign‘, also die Entwürfe von Johannes Potente (z. B. 1020, 1034, 1051), in den 1960er Jahren begann die Dominanz von Nylon und Farbe, bis dann ab Mitte der 1980er Jahre der Edelstahl-Siegeszug begann. Architekturschaffende wählen heutzutage bevorzugt Entwürfe aus, die der Architektur des Hauses folgen. Während private Bauherrinnen häufiger Produkte auswählen, die gut in der Hand liegen.“
[Regina Kelmeter:] „Können Sie uns genauer erklären, was mit den ‚Vier Geboten des Greifens‘ gemeint ist?“
[Wolfgang Reul:] „Ja, wir hatten in den 1980er Jahren einen Lehrmeister, Otl Aicher. Mit ihm haben wir ein neues Erscheinungsbild für FSB entwickelt, das ab 1990 auch sichtbar wurde bei den Katalogen, bei den Verpackungen und ganz allgemein. Im Zuge dieser Zusammenarbeit hat sich Otl Aicher auch immer wieder mit unseren Produkten beschäftigt, er hat sogar selbst eine Türklinke entworfen. Dabei hat er sich mit den Gestaltungsprinzipien eines Türdrückers beschäftigt und eines Tages die ‚Vier Gebote des Greifens‘ formuliert. Sie besagen nämlich, dass zunächst ein guter Türdrücker eine Daumenbremse braucht, weil der Daumen eine Auflage benötigt, um die zugreifende Hand abzubremsen. Das Greifvolumen baucht man zum richtigen Zufassen, man möchte schließlich etwas in der Hand haben und spüren. Der Zeigefinger gibt der Hand die Richtung vor, er führt die Hand und legt sich in die Zeigefingerkuhle. Das vierte ist die Ballenstütze. Der Handballen will gestützt werden, er sucht eine Auflagefläche. Er ist besonders für alte Menschen, die nicht mehr so viel Kraft in den Händen haben, eine gute Hilfe, den Türdrücker nach unten zu bewegen.“
[Hannah Wilk:] „Wie sieht der Fertigungsprozess im Allgemeinen aus und wie lange dauert es durchschnittlich bis zum fertigen Endprodukt?“
[Wolfgang Reul:] „Es gibt einen Film, der diesen Produktionsprozess für das Material Aluminium beispielhaft an der Türklinke von Jasper Morrison zeigt. Es gibt im Produktionsprozess verschiedene Schritte. Zunächst haben wir eine bzw. mehrere Aluminium-Masseln, bei Gold spricht man bekanntermaßen von Barren, die in einem Schmelztiegel eingeschmolzen werden. Das flüssige Aluminium wird in eine Kokille, die sogenannte Gussform gegossen. Im nächsten Schritt wird von dem gegossenen Teil die sogenannte „Gusshaut“ abgeschliffen. Danach folgen weitere Schleif- und Polierprozesse, bevor die Einzelteile in das Eloxalbad wandern. Im Eloxalbad wird die Oberfläche des Türdrückers gehärtet und bekommt eine Farbe, entweder Silber oder Töne von Braun bis Schwarz. Nun sind die Oberflächen-Bearbeitungs-Prozesse abgeschlossen. Der Türdrücker wird im Folgenden mechanisch bearbeitet und zu einer kompletten Garnitur zusammengebaut. Es folgen Qualitätskontrolle und dann Abmarsch in den Versand. Alles in allem sind es bestimmt 10 Arbeitsschritte, bis der Türdrücker versandfertig ist.
Unsere Lagerbestände sind relativ hoch. Nehmen Sie zum Beispiel den Türdrücker von Morrison: Wenn Sie 10 Garnituren bestellen, können wir die morgen ausliefern. Wenn wir ein Produkt von Grund auf fertigen müssen, dauert das ca. 3 bis 4 Wochen bis zur Auslieferung.
Und wie ist es mit neuem Design? Die Zeitspanne vom Entwurf bis zum fertigen Produkt ist immer sehr unterschiedlich. Und sie ist immer davon abhängig, ob es ein hausinternes Design ist, da liegen meist recht zügig Ergebnisse vor, oder ob wir mit einem externen Designer oder Architekten arbeiten. Da kann es vom ersten Gespräch bis zum verkaufsfähigen Produkt schon mal ein bis drei Jahre dauern. Es gab auch schon Fälle, da hat man nach dem fünften oder sechsten Treffen gesagt ‚Hier sind wir auf einem Irrweg, und wir müssen nochmal komplett von vorne anfangen, oder wir müssen es abbrechen.‘ Das hängt immer von unterschiedlichen Faktoren ab.“
[Hannah Willing:] „Was sind Ihre drei meist verwendeten Werkstoffe?“
[Herr Reul:] „Also, wir haben vier Hauptmaterialien: Aluminium, Edelstahl, Messing sowie Bronze. Edelstahl ist das Material, das wir am Häufigsten verkaufen. Dann kommt mit ein wenig Abstand Aluminium, danach ist ein kleiner aber feiner Anteil Bronze, der aber sehr stabil ist. Bronze wird übrigens sehr oft in Kultur- und Repräsentationsbauten eingesetzt, hier und da auch im hochwertigen Wohnungsbau. Messing macht nur einen sehr kleinen Anteil aus. Obwohl man in den Architektur- und Design-Zeitschriften sehr viel goldfarbige Produkte findet, fällt das im Umsatz interessanterweise etwas ab. Es kann aber sein, dass es irgendwann wieder an Bedeutung gewinnt.“
[Regina Kelmeter:] „Wie sieht der durchschnittliche Energieverbrauch bei dem Modell ‚1012‘ aus?“
[Herr Reul:] „Der Energieverbrauch für den Türdrücker, der liegt bei 150 Wh. Das entspricht 0,15 kWh für ein Loch Teil. Bei einem Türdrücker und bei einer Türdrückergarnitur haben Sie immer zwei Teile, also innen und außen – somit muss man den Wert mit zwei multiplizieren.“
[Hannah Wilk:] „Wie beeinflusst Ihr Kundenstamm Ihre Produktpalette? Gibt es ein Produkt, das über Jahre hinweg bei den Kunden beliebt ist und aus Ihrer Produktpalette nicht mehr wegzudenken ist?“
[Herr Reul:] „Zunächst muss man wissen, dass unser Sortiment und der Umsatz, den wir machen, bisher sehr stark durch die planerische Leistung von Architekten oder Innenarchitekten beeinflusst wurde und wird. Wir haben seit 30 Jahren diesen Weg gewählt, auch, dass wir mit vielen Architekten eigene Entwürfe für deren Architektur realisiert haben. Insofern haben wir uns immer mehr in diese Richtung entwickelt und haben immer auch Produkte neu entwickelt, von denen wir ahnten, dass sie in der Architektur Erfolg haben werden. Am Ende wusste man das aber auch immer erst hinterher. Wenn man die letzten 50, 60 Jahre Revue passieren lässt, gibt es bestimmte Formen, Gestaltungen, Materialien und Oberflächen, die einfach dominierend waren. Das Modell Frankfurt, FSB 1076, wie es im Volksmund genannt wird, ist neben der Ulmer Klinke, 1023, das wohl am häufigsten verkaufte Produkt der letzten 30 Jahre. Deshalb werden diese Modelle auch von der ganzen Welt und zu jedem Preis angeboten. Darum hat man zu diesen Erfolgsmodellen Varianten entwickelt, um aus der Vergleichbarkeit rauszukommen, wie zum Beispiel die Modelle 1108 oder 1035. Das beeinflusst die Produktpalette. Dann bietet man diese Erfolgsmodelle zusätzlich in Aluminium an und später kommen noch Messing und Bronze dazu.
Darüber hinaus versucht man auch immer wieder neue Modelle auf den Markt zu bringen, von denen man hofft, dass sie vielleicht einmal in die Fußstapfen dieser Erfolgsmodelle treten. Aber das ist immer ein Lotteriespiel. Was sich die letzten Jahre als sehr erfolgreich erwiesen hat, ist der Entwurf von David Chipperfield, das Modell 1004. Es gibt ihn seit ca. 2008. Es gibt in diesem Zusammenhang auch eine Formensprache, die eine gewisse Allgemeingültigkeit hat. 1004 gehört dazu.
Ein anderes Beispiel: Im vorletzten Jahr haben wir für das 100-jährige Bauhausjubiläum im Jahre 2019 zwei Original Türdrücker von Mies van der Rohe organisiert und die Aufgabe des FSB-Designers war es, einen dieser beiden neu zu interpretieren. Er hat etwas ganz Anderes gemacht. Hartmut Weise hat beide Modelle übereinandergelegt und zusammengeführt. Er hat sie praktisch fusioniert. Und schon nach einem halben Jahr Markterfahrung konnten wir feststellen, dass seine Fusion so erfolgreich war – dass wir sie nicht nur in Alu, Messing und Bronze, sondern auch in dem Material Edelstahl anbieten werden, obwohl der Werkzeugbau hierfür deutlich teurer ist als bei den anderen Materialien.“
[Hannah Willing:] „Unter dem Namen ‚FSB Handmade‘ bieten Sie auch individuell gefertigte Stücke an. Wie lange dauert hier der Entstehungsprozess (inklusive Entwurfsphase)? Sind diese Aufträge aufgrund ihres Aufwandes an eine Mindeststückzahl gebunden?“
[Herr Reul:] „Also, grundsätzlich ist es so, dass die Anfragen hierzu von den Architekten kommen. Wunsch ist vielleicht, dass irgendwann auch mal private Kunden sagen ‚Ich habe da eine Idee, oder ich habe hier ein altes Haus gekauft, da sind wunderschöne Türdrücker drin. Die sind aber so in die Jahre gekommen, dass die alle wackeln und in den nächsten Jahren kaputtgehen, auseinanderfallen. Könnt ihr uns die nachbauen?‘ Das steckt so ein bisschen dahinter. Zum anderen haben wir von vielen Modellen zwar Türdrücker und Fenstergriffe, aber keine Hebeschiebetürgriffe, die im Wohnungsbau eine immer größere Rolle spielen. Hebeschiebetüren, haben immer längere, also XXL-Griffe, die grundsätzlich nach oben stehen, die man im Radius eines Halbkreises nach unten bewegt, um die Hebeschiebetür aufziehen zu können. Diese Ergänzungen haben wir wie gesagt nicht bei jedem Türdrücker. Aber wenn Sie jetzt ein Haus bauen und sagen ‚Ich habe da zwei Hebeschiebetüren, und für diese hätte ich jetzt auch gern mein ausgewähltes Design als Griff‘, dann machen wir das als Sonderanfertigung. Das verstehen wir unter Handmade.
Ein anderes Beispiel hierfür kommt aus Belgien. Für eine Rathaussanierung wünschte man, dass die historischen Fenstergriffe, mit modernster Technik nachgebaut werden, ca. 60 Stück. Diese haben wir über diesen Handmade-Prozess geliefert. Die Mindeststückzahl ist eins, aber je mehr Sie bestellen, desto günstiger wird das Ganze. Ein, zwei oder drei Teile sind relativ teuer, je größer die bestellte Menge, umso günstiger wird es. Und wenn es in den dreistelligen Stückzahlbereich geht, muss man überlegen, ob ein Werkzeug nicht günstiger ist.
Es gibt dazu noch ein schönes Beispiel: Wenn in Berlin in ein, zwei Jahren die Neue Nationalgalerie wieder öffnet, sind da an den Türen im Ausstellungsbereich, also im Untergeschoß, zum Teil wieder die Alten, Original-Türdrücker, die Mies van der Rohe damals entworfen hat, vorzufinden. Diese schon über 50 Jahre alten Griffe werden aber irgendwann einmal durch den jahrzehntelangen Verschleiß ausgetauscht werden müssen. Für diesen Zweck werden wir bei FSB zwanzig dieser Türdrücker als FSB-Handmade nachbauen und liefern dürfen. Diese Garnituren wird man sich in Berlin zur Seite legen und nach und nach gegen die ‚Alten‘ austauschen.“
[Katharina Benski:] „Inwieweit haben sich die Arbeitsprozesse in den letzten 50 Jahren verändert? Welche positiven und negativen Aspekte haben sich in dieser Zeit der Herstellung hervorgetan?“
[Herr Reul:] „Die positiven Effekte beziehen sich in erster Linie auf Prozesse wie Gießen, Schleifen und das Polieren von Türdrückern, Türknöpfen, etc. Das geschieht bei bestimmten Modellen immer noch manuell, wird also von Mitarbeitern händisch ausgeführt, weil die Entwürfe so kompliziert sind, und ein Roboter nicht jeden Quadratmillimeter der Oberfläche erwischt, oder weil die Stückzahlen zu klein sind, und es viel zu lange dauern würde, bis die Roboter programmiert wurden.
Dennoch sind extrem viele manuelle Arbeitsgänge bzw. -prozesse einfach durch Roboterarbeit ersetzt worden. Ich bin jetzt 32 Jahre bei FSB, damals, als ich 1988 das erste Mal die Produktion sah, gab es noch unendlich viele Menschen, die an Schleifbändern gesessen haben und Türdrücker, Türknöpfe, und Fenstergriffe geschliffen haben. Das ist deutlich weniger geworden. Menschen arbeiten heute auch nicht mehr wie früher ihr ganzes Berufsleben als Schleifer, das wechselt immer wieder mal. Und da muss man sagen, hat der Roboter schon gute Dienste erwiesen. Interessanterweise ist durch die Einführung von Robotern die Zahl der Mitarbeiter nicht exorbitant gesunken. Man hat bei FSB immer wieder durch geschickte und erfolgreiche Produktentwicklungen neue Aufgaben für die KollegInnen geschaffen. Wir arbeiten heute im Verglich zu den späten 1980er Jahren ausschließlich mit umweltfreundlicheren Materialien. Wir haben es ja immer mit Materialien zu tun, mit denen wir eine Oberfläche bearbeiten oder dauerhaft robust, haltbar und edel machen sollen, die man aber nicht einfach so in die Kanalisation geben kann. Man, oder besser wir bei FSB gehen sorgsam damit um. Wir haben schon in den frühen 90er Jahren, bei uns Umweltmanagement eingeführt, das war die Aktion ‚Saubere Unterwäsche‘. Wir haben alles auf einen ökologischen, sauberen Stand gebracht und haben dafür in den 90er Jahren zusammen mit zwei anderen Unternehmen aus OWL den ‚Deutschen Umweltpreis‘ bekommen. Wir haben z. B. technische Möglichkeiten, Wasser wiederaufzubereiten. Früher hatten wir einen Bedarf von 100.000m³ Wasser/Jahr. Heute brauchen wir nur noch 1.000m³ Regenwasser. Wir fangen es auf, nutzen es, und neutralisieren es zur anschließenden Wiederverwendung.“
[Regina Kelmeter:] „Zum Schluss eine letzte Frage an Sie persönlich: Haben Sie ein Lieblingsprodukt, das sich vielleicht sogar in Ihren eigenen vier Wänden befindet?“
[Herr Reul:] „Ja, also ich hatte, als ich bei FSB angefangen habe, eine Mietwohnung. An den Türen dieser Wohnung waren schon FSB Klinken eingebaut. FSB 1058, Design Johannes Potente, Aluminium Neusilber. Die waren aber schon in die Jahre gekommen und ich habe sie peu à peu ausgetauscht. Zum Schluss hatte ich für jeden Raum ein eigenes Klinkendesign. Das hieße in der Praxis, wenn Sie eine Tür öffneten, hatten Sie auf der anderen Seite der Tür, also beim Zuziehen, schon wieder einen anderen Türdrücker in der Hand. Freunde, die zu Besuch bei mir waren, haben sich darüber immer lustig gemacht. Bis Wochen später die Frage kam: ‚Mensch, kannst du mir nicht auch mal ein paar Türklinken besorgen?‘
Das habe ich, als ein Wohnungswechsel anstand, anders gemacht. Ich habe mir die Türklinken von Jasper Morrison gekauft und diese sind seit 20 Jahren meine Wegbegleiter. Sie gehören übrigens auch zu meinen Lieblingen im FSB-Sortiment.
Grundsätzlich gibt es auch zwei Modelle aus Bronze, die ich sehr gerne mag. Das ist zum einen der Entwurf von David Chipperfield, FSB 1004, und der Entwurf von Hans Kollhoff, FSB 1163. Material und Gestaltung sind ja eng miteinander verbunden. Und diese beiden Entwürfe überzeugen einfach in diesem Material. Deshalb gibt es z. B. in dem Material Bronze auch nur eine kleine Auswahl von Türdrückern, von denen wir allerdings wissen, dass sie auch zu diesem Material passen.
Außerdem gehören zu meinen Lieblingen auch immer die Produkte, die gerade entwickelt werden, also am Entstehen sind, oder die sogenannten ‚Messeneuheiten‘. Aktuell ist das eine kreisrunde Schiebetürmuschel, FSB 4265. Sie ist ab Herbst 2020 lieferbar, und zu finden in unserer Broschüre ‚Neuheiten 2020 zum Handbuch 13 Tür- und Fensterbeschläge‘.
Im Gespräch mit Planern und Architekturschaffenden wirkt man natürlich viel überzeugender, wenn man ein Produkt mag und es auch mit Leidenschaft präsentieren kann, das ist schon klar. Und oft helfen mir/uns die Geschichten zu unseren Produkten. Aber: der Köder muss ja immer dem Fisch und nicht dem Angler schmecken. Und da muss man auch immer wieder mal über Produkte sprechen können, die einen sehr rationalen oder auch technischen Ansatz mit sich bringen.“
„Vielen lieben Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben!“
[Hannah Wilk:] „Wie beeinflusst Ihr Kundenstamm Ihre Produktpalette? Gibt es ein Produkt, das über Jahre hinweg bei den Kunden beliebt ist und aus Ihrer Produktpalette nicht mehr wegzudenken ist?“
[Herr Reul:] „Zunächst muss man wissen, dass unser Sortiment und der Umsatz, den wir machen, bisher sehr stark durch die planerische Leistung von Architekten oder Innenarchitekten beeinflusst wurde und wird. Wir haben seit 30 Jahren diesen Weg gewählt, auch, dass wir mit vielen Architekten eigene Entwürfe für deren Architektur realisiert haben. Insofern haben wir uns immer mehr in diese Richtung entwickelt und haben immer auch Produkte neu entwickelt, von denen wir ahnten, dass sie in der Architektur Erfolg haben werden. Am Ende wusste man das aber auch immer erst hinterher. Wenn man die letzten 50, 60 Jahre Revue passieren lässt, gibt es bestimmte Formen, Gestaltungen, Materialien und Oberflächen, die einfach dominierend waren. Das Modell Frankfurt, FSB 1076, wie es im Volksmund genannt wird, ist neben der Ulmer Klinke, 1023, das wohl am häufigsten verkaufte Produkt der letzten 30 Jahre. Deshalb werden diese Modelle auch von der ganzen Welt und zu jedem Preis angeboten. Darum hat man zu diesen Erfolgsmodellen Varianten entwickelt, um aus der Vergleichbarkeit rauszukommen, wie zum Beispiel die Modelle 1108 oder 1035. Das beeinflusst die Produktpalette. Dann bietet man diese Erfolgsmodelle zusätzlich in Aluminium an und später kommen noch Messing und Bronze dazu.
Darüber hinaus versucht man auch immer wieder neue Modelle auf den Markt zu bringen, von denen man hofft, dass sie vielleicht einmal in die Fußstapfen dieser Erfolgsmodelle treten. Aber das ist immer ein Lotteriespiel. Was sich die letzten Jahre als sehr erfolgreich erwiesen hat, ist der Entwurf von David Chipperfield, das Modell 1004. Es gibt ihn seit ca. 2008. Es gibt in diesem Zusammenhang auch eine Formensprache, die eine gewisse Allgemeingültigkeit hat. 1004 gehört dazu.
Ein anderes Beispiel: Im vorletzten Jahr haben wir für das 100-jährige Bauhausjubiläum im Jahre 2019 zwei Original Türdrücker von Mies van der Rohe organisiert und die Aufgabe des FSB-Designers war es, einen dieser beiden neu zu interpretieren. Er hat etwas ganz Anderes gemacht. Hartmut Weise hat beide Modelle übereinandergelegt und zusammengeführt. Er hat sie praktisch fusioniert. Und schon nach einem halben Jahr Markterfahrung konnten wir feststellen, dass seine Fusion so erfolgreich war – dass wir sie nicht nur in Alu, Messing und Bronze, sondern auch in dem Material Edelstahl anbieten werden, obwohl der Werkzeugbau hierfür deutlich teurer ist als bei den anderen Materialien.“
[Hannah Willing:] „Unter dem Namen ‚FSB Handmade‘ bieten Sie auch individuell gefertigte Stücke an. Wie lange dauert hier der Entstehungsprozess (inklusive Entwurfsphase)? Sind diese Aufträge aufgrund ihres Aufwandes an eine Mindeststückzahl gebunden?“
[Herr Reul:] „Also, grundsätzlich ist es so, dass die Anfragen hierzu von den Architekten kommen. Wunsch ist vielleicht, dass irgendwann auch mal private Kunden sagen ‚Ich habe da eine Idee, oder ich habe hier ein altes Haus gekauft, da sind wunderschöne Türdrücker drin. Die sind aber so in die Jahre gekommen, dass die alle wackeln und in den nächsten Jahren kaputtgehen, auseinanderfallen. Könnt ihr uns die nachbauen?‘ Das steckt so ein bisschen dahinter. Zum anderen haben wir von vielen Modellen zwar Türdrücker und Fenstergriffe, aber keine Hebeschiebetürgriffe, die im Wohnungsbau eine immer größere Rolle spielen. Hebeschiebetüren, haben immer längere, also XXL-Griffe, die grundsätzlich nach oben stehen, die man im Radius eines Halbkreises nach unten bewegt, um die Hebeschiebetür aufziehen zu können. Diese Ergänzungen haben wir wie gesagt nicht bei jedem Türdrücker. Aber wenn Sie jetzt ein Haus bauen und sagen ‚Ich habe da zwei Hebeschiebetüren, und für diese hätte ich jetzt auch gern mein ausgewähltes Design als Griff‘, dann machen wir das als Sonderanfertigung. Das verstehen wir unter Handmade.
Ein anderes Beispiel hierfür kommt aus Belgien. Für eine Rathaussanierung wünschte man, dass die historischen Fenstergriffe, mit modernster Technik nachgebaut werden, ca. 60 Stück. Diese haben wir über diesen Handmade-Prozess geliefert. Die Mindeststückzahl ist eins, aber je mehr Sie bestellen, desto günstiger wird das Ganze. Ein, zwei oder drei Teile sind relativ teuer, je größer die bestellte Menge, umso günstiger wird es. Und wenn es in den dreistelligen Stückzahlbereich geht, muss man überlegen, ob ein Werkzeug nicht günstiger ist.
Es gibt dazu noch ein schönes Beispiel: Wenn in Berlin in ein, zwei Jahren die Neue Nationalgalerie wieder öffnet, sind da an den Türen im Ausstellungsbereich, also im Untergeschoß, zum Teil wieder die Alten, Original-Türdrücker, die Mies van der Rohe damals entworfen hat, vorzufinden. Diese schon über 50 Jahre alten Griffe werden aber irgendwann einmal durch den jahrzehntelangen Verschleiß ausgetauscht werden müssen. Für diesen Zweck werden wir bei FSB zwanzig dieser Türdrücker als FSB-Handmade nachbauen und liefern dürfen. Diese Garnituren wird man sich in Berlin zur Seite legen und nach und nach gegen die ‚Alten‘ austauschen.“
[Katharina Benski:] „Inwieweit haben sich die Arbeitsprozesse in den letzten 50 Jahren verändert? Welche positiven und negativen Aspekte haben sich in dieser Zeit der Herstellung hervorgetan?“
[Herr Reul:] „Die positiven Effekte beziehen sich in erster Linie auf Prozesse wie Gießen, Schleifen und das Polieren von Türdrückern, Türknöpfen, etc. Das geschieht bei bestimmten Modellen immer noch manuell, wird also von Mitarbeitern händisch ausgeführt, weil die Entwürfe so kompliziert sind, und ein Roboter nicht jeden Quadratmillimeter der Oberfläche erwischt, oder weil die Stückzahlen zu klein sind, und es viel zu lange dauern würde, bis die Roboter programmiert wurden.
Dennoch sind extrem viele manuelle Arbeitsgänge bzw. -prozesse einfach durch Roboterarbeit ersetzt worden. Ich bin jetzt 32 Jahre bei FSB, damals, als ich 1988 das erste Mal die Produktion sah, gab es noch unendlich viele Menschen, die an Schleifbändern gesessen haben und Türdrücker, Türknöpfe, und Fenstergriffe geschliffen haben. Das ist deutlich weniger geworden. Menschen arbeiten heute auch nicht mehr wie früher ihr ganzes Berufsleben als Schleifer, das wechselt immer wieder mal. Und da muss man sagen, hat der Roboter schon gute Dienste erwiesen. Interessanterweise ist durch die Einführung von Robotern die Zahl der Mitarbeiter nicht exorbitant gesunken. Man hat bei FSB immer wieder durch geschickte und erfolgreiche Produktentwicklungen neue Aufgaben für die KollegInnen geschaffen. Wir arbeiten heute im Verglich zu den späten 1980er Jahren ausschließlich mit umweltfreundlicheren Materialien. Wir haben es ja immer mit Materialien zu tun, mit denen wir eine Oberfläche bearbeiten oder dauerhaft robust, haltbar und edel machen sollen, die man aber nicht einfach so in die Kanalisation geben kann. Man, oder besser wir bei FSB gehen sorgsam damit um. Wir haben schon in den frühen 90er Jahren, bei uns Umweltmanagement eingeführt, das war die Aktion ‚Saubere Unterwäsche‘. Wir haben alles auf einen ökologischen, sauberen Stand gebracht und haben dafür in den 90er Jahren zusammen mit zwei anderen Unternehmen aus OWL den ‚Deutschen Umweltpreis‘ bekommen. Wir haben z. B. technische Möglichkeiten, Wasser wiederaufzubereiten. Früher hatten wir einen Bedarf von 100.000m³ Wasser/Jahr. Heute brauchen wir nur noch 1.000m³ Regenwasser. Wir fangen es auf, nutzen es, und neutralisieren es zur anschließenden Wiederverwendung.“
[Regina Kelmeter:] „Zum Schluss eine letzte Frage an Sie persönlich: Haben Sie ein Lieblingsprodukt, das sich vielleicht sogar in Ihren eigenen vier Wänden befindet?“
[Herr Reul:] „Ja, also ich hatte, als ich bei FSB angefangen habe, eine Mietwohnung. An den Türen dieser Wohnung waren schon FSB Klinken eingebaut. FSB 1058, Design Johannes Potente, Aluminium Neusilber. Die waren aber schon in die Jahre gekommen und ich habe sie peu à peu ausgetauscht. Zum Schluss hatte ich für jeden Raum ein eigenes Klinkendesign. Das hieße in der Praxis, wenn Sie eine Tür öffneten, hatten Sie auf der anderen Seite der Tür, also beim Zuziehen, schon wieder einen anderen Türdrücker in der Hand. Freunde, die zu Besuch bei mir waren, haben sich darüber immer lustig gemacht. Bis Wochen später die Frage kam: ‚Mensch, kannst du mir nicht auch mal ein paar Türklinken besorgen?‘
Das habe ich, als ein Wohnungswechsel anstand, anders gemacht. Ich habe mir die Türklinken von Jasper Morrison gekauft und diese sind seit 20 Jahren meine Wegbegleiter. Sie gehören übrigens auch zu meinen Lieblingen im FSB-Sortiment.
Grundsätzlich gibt es auch zwei Modelle aus Bronze, die ich sehr gerne mag. Das ist zum einen der Entwurf von David Chipperfield, FSB 1004, und der Entwurf von Hans Kollhoff, FSB 1163. Material und Gestaltung sind ja eng miteinander verbunden. Und diese beiden Entwürfe überzeugen einfach in diesem Material. Deshalb gibt es z. B. in dem Material Bronze auch nur eine kleine Auswahl von Türdrückern, von denen wir allerdings wissen, dass sie auch zu diesem Material passen.
Außerdem gehören zu meinen Lieblingen auch immer die Produkte, die gerade entwickelt werden, also am Entstehen sind, oder die sogenannten ‚Messeneuheiten‘. Aktuell ist das eine kreisrunde Schiebetürmuschel, FSB 4265. Sie ist ab Herbst 2020 lieferbar, und zu finden in unserer Broschüre ‚Neuheiten 2020 zum Handbuch 13 Tür- und Fensterbeschläge‘.
Im Gespräch mit Planern und Architekturschaffenden wirkt man natürlich viel überzeugender, wenn man ein Produkt mag und es auch mit Leidenschaft präsentieren kann, das ist schon klar. Und oft helfen mir/uns die Geschichten zu unseren Produkten. Aber: der Köder muss ja immer dem Fisch und nicht dem Angler schmecken. Und da muss man auch immer wieder mal über Produkte sprechen können, die einen sehr rationalen oder auch technischen Ansatz mit sich bringen.“
„Vielen lieben Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben!“