Der Pavillon aus Pilz-Mycel

Unter der Leitung von Professor Hans Sachs ist auf der Landesgartenschau 2023 in Höxter ein Pavillon aus pilzgebundenem Fasersubstrat entstanden. Der Hintergrund dieses Projekts ist die praktische Verwendung eines alternativen, nachhaltigen Baustoffs in Verbindung mit digitaler Konstruktionsplanung.
Den Auftakt zu diesem Projekt stellte ein Workshop mit den internationalen Masterstudierenden von Professor Sachs dar, bei dem die Eigenschaften und Möglichkeiten des biologischen Baumaterials praktisch erforscht werden. „Die Nutzung des Pilzes in der Werkstoffindustrie kann zu einer echten Revolution in der Bauwirtschaft führen.“ sagt Sachs. „Die Mycelwerkstoffe können eine kostengünstige und klimafreundliche Alternative zu herkömmlichen Baustoffen darstellen.“
Im Rahmen eines fachbereichsübergreifenden Wettbewerbs ist die Idee zu dem Pavillon aus Pilzmycel entstanden. Die Studierenden Leandra Simon, Inga Wißling, Andres Buitrago und Ardalan Mirhadinejadfard entwickelten das Konzept einer homogenen Gesamtkonstruktion. Die Herausforderung dieses Projekts ist es, das Bauwerk stimmig in das Umfeld einer bestehenden Baumgruppe zu plazieren. Durch Form und Gestaltung soll sich der Pavillon aus Pilzmycel in seine Umgebung einfügen. Im Pavillon selbst entstehen Teilräume, die sich für unterschiedliche Bespielungen oder Präsentationen anbietet.
Die Idee, Pilzfasern für die Herstellung neuartiger Werkstoffe zu nutzen, ist nicht gänzlich neu. Bereits seit zehn Jahren wird das Mycel des Baumpilzes in der Verpackungsindustrie genutzt. Auch an anderen Hochschulen wird an pilzbasierten Ökomaterialien für technische Anwendungen geforscht. Die Herstellung eines pilzgebundenen Werkstoffs beruht auf einem einfachen Prinzip: Dem Pilz wird ein kohlenhydratreicher Nährstoff angeboten. Dies können zum Beispiel Holzfasern aus Produktionsabfällen oder Agrarreststoffe sein. Die Hyphen des Pilzes bilden ein dreidimensionales Mycel, das den Rohstoff durchzieht und ihm dabei eine Festigkeit mit weiteren verschiedenen Eigenschaften verleiht. Nach gewünschter Wachstumszeit wird die weitere Ausbreitung des Pilzes gestoppt.
Pilze bieten einen vielseitigen und faszinierenden Forschungsgegenstand nicht nur in der Biomedizin und Ökotrophologie. Sie bilden eine Sonderstellung bei der Klassifizierung der Lebensformen. Von den geschätzt mehreren Millionen Pilzarten sind nur etwa 120.000 bisher beschrieben. Im Gegensatz zu Pflanzen können sie keine Energie aus Sonnenlicht gewinnen, sondern ernähren sich durch den Abbau organischer Stoffe. Dabei führen sie Stickstoffverbindungen zurück in den Boden, die so anderen Lebewesen wieder zur Verfügung stehen. Daher liegt der Gedanke nahe, diese Eigenschaften auch zur Lösung einiger ökologischer Herausforderungen heranzuziehen.
Die Projektgruppe um den Mycelion traf sich regelmäßig, um die Ergebnisse der einzelnen Untergruppen zusammenzutragen. Im Laufe des Projekts wurden verschiedene Bauformen und Konstruktionsmöglichkeiten erwogen. Das entgültige Modell ist nun als kuppelartiger Pavillon aus 130 einzelnen dreieckigen Modulen auf der Landesgartenschau zu sehen. Besondere Fragestellungen bezogen sich auf die Verbindungen der einzelnen Elemente, die Verteilung der Druck- und Zugkräfte, Resistenz gegen Witterungsbedingungen und die Befestigung der Konstruktion am Erdboden. Dabei halfen die modernen Möglichkeiten der computergestützten Kontrusktionsplanung.
MYCELION I MID baut TH OWL Pavillon auf der NRW Landesgartenschau 2023 in Höxter
Erstsemesterstudierende des Masterstudiengangs "MID Computational Design" sind dabei, im Rahmen einer Kooperation mit den LandschaftsarchitektInnen des Sustainable Campus Höxter einen experimentellen Pavillon für die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) auf der Landesgartenschau 2023 in Höxter zu realisieren. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen den LandschaftsarchitektInnen in Höxter und der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, insbesondere dem internationalen und interdisziplinären Studiengang MID. Die Kooperation wurde von Prof. Hans-Peter Rohler (Fachbereich Landschaftsarchitektur und Umweltplanung) und Prof. Hans Sachs (Fachbereich Architektur und Innenarchitektur) bereits während der Pandemie Ende 2020 initiiert. Das Projekt wird freundlicherweise von zwei lokalen Firmen, der Formatio GmbH (Lemgo) und der Goldbeck GmbH (Bielefeld), der TH OWL, Junge Stauden und der Stadt Höxter sowie der Landesgartenschau selbst unterstützt. Besonderer Dank geht hier an den Fachbereich Bauingenieurwesen und Fachbereich Produktions- und Holztechnik der TH OWL für die technische Unterstützung (Material/Struktur). Ein großes Dankeschön gilt auch allen persönlichen und institutionellen UnterstützerInnen.
Mehrere Gestaltungswettbewerbe und Studien wurden seither in Kooperation von Studierenden aus Höxter und Detmold entwickelt. In einem offiziellen Wettbewerb hat eine Jury aus Vertretern der Stadt Höxter, Architekten und Planern der Landesgartenschau und Stadt Höxter sowie Vertretern der TH OWL die Studierendengruppe um Leandra Simon, Inga Wißling, Andres Buitrago und Ardalan Mirhadinejadfard als ersten Preisträger ausgewählt. Der Vorschlag beinhaltete einen konzeptionellen Vorschlag für eine Pavillonstruktur, die aus MYCELIUM- (Ziegel-) Elementen besteht. Der Vorschlag wurde von Ardalan Mirhadinejadfard in seiner Masterarbeit 2022 durch die Realisierung von 1:1 Prototypen auf dem Detmolder Architekturcampus weiterentwickelt.
Seit September 2022 arbeiten die Studierenden des ersten Semesters der MID-Vertiefung "Computational Design" intensiv an der Realisierung des Pavillons in mehreren Workshops, die Studien und Materialtests mit GROWING-Myzel (aus verschiedenen vorbereiteten Substraten) bis hin zur Entwicklung und Realisierung von 1:1-Details, Modellen und Prototypen einer Myzel-Holz-Verbundstruktur für den TH OWL Pavillon und als weitere Besonderheit für Outdoor-Möbel aus Myzel und den Materialresten der Holzteile, durchführen. Hervorzuheben sind die enormen Herausforderungen, denen sich die Studierendengruppe während der Entwicklung gestellt hat, um professionelle Unterstützung, Materialien und Infrastruktur zu beschaffen.
Während des Entwicklungsprozesses wurde das ursprüngliche Konzept einer auf Myzel und Ziegeln basierenden Struktur zu einem umfassenden, von Minimalflächen inspiriertes, in Dreiecke strukturierten Gewölbesystem weiterentwickelt, um Kräfte in der Struktur zu reduzieren und gleichmäßig zu verteilen. Die rund 80 Elemente des Pavillons bestehen aus generierten, digital gefertigten, dreieckigen Extrusionskörpern, die aus einer Kombination von Douglasienholz und Myzel als zusammenwachsende Verbundbauelemente bestehen. Die einzelnen Elemente sind so konzipiert, dass sie in ihrer Form individuell anpassbar sind und dabei Teil einer generierten und strukturoptimierten Gewölbestruktur werden. Ein besonderes Highlight neben der komplexen, digitalen Herstellung dieses Bauexperiments - sind die Wachstumsprozesse des Gebäudes. In einer ersten Vorfertigungsphase wachsen die Elemente in der Fabrik, bis sie einen gewissen Grad an Stabilität und Festigkeit erreicht haben. Auf der Baustelle angekommen, werden die Elemente miteinander verknüpft und wachsen - durch zusätzlich integriertes Myzelsubstrat vor Ort selbständig und zusätzlich zusammen. Der Pavillon wird während der Landesgartenschau verschiedenen Untersuchungen unterzogen. Vor der Demontage im Herbst 2023 wird der Teil des Tragwerks, der ausschließlich aus Mycelium-Verbindungen besteht, umfassend getestet. Während der Landesgartenschau gewährleisten von den Studierenden eigens entwickelte Holz- und Stahlverbindungen die Sicherheit und Stabilität der Konstruktion.
Team und UnterstützerInnen
Projektleitung: Prof. Hans Sachs (FB1) / Prof. Hans-Peter Rohler (FB9)
Co-Leitung: Alexander Fillies M. Eng. (FB1) / Prof.in i.V. Andrea Kondziela (FB1) / Prof. i.V. Martin Manegold (FB1) / Prof. Camilo Cifuentes (La Salle, COL) / Dipl.-Ing. Ute Aland (FB9) / Jörg von der Reidt (FB9) / Isabella Previti (FB1) / Johannes Homann (FB1)
Finales Konzept und Realisierung Forschungspavillon FB1/MID: Abdelhady, Omar / Acar, Kiymet / Aykin, Yusuf / elkassar, Salah / Hamdy, Mostafa / Molaei-Maqsoudbeki, Marzie / Nafez, Maryam / Parejo, Elizabeth / Ripploh, Maja / Rodriguez Altamirano, Edgardo / Taslibeyaz, Israfil / Thomas, Shinu / Türedi, Özge
Unterstützung bei der Realisierung/Montage: Zahra Mohebbi (FB1), Simon Aland (HX), Felix (HX) , Mohamed Mahmoud (FB1)
Finales Konzept Landschaftsarchitektur: Leandra Simon (FB9), Inga Wißling (FB9)
Umsetzung Landschaftsarchitektur FB9: Angela Braches / Bianca Kropp / Oskar Weber / Daniel Bolinth / Julia Rubart / Niels Finke / Lisa Slawinjak / Lara Elsner / Andreas Reinhold / Marvin Kagerer / Samantha Gläser-Sonco
Erstes Konzept / Wettbewerb 2021: Leandra Simon (FB9) / Inga Wißling (FB9) / Andres Buitrago (FB1) / Ardalan Mirhadinejadfard (FB1)
Partner: Formatio GmbH, Goldbeck GmbH, Stadt Höxter, Landesgartenschau Höxter, Stauden Junge, TH OWL
Unterstützer: Prof. Dr. rer. nat. Miriam Pein-Hackelbusch (FB4) / Prof. Jens-Uwe Schulz (FB1) / Prof. Ralf Steffen (Dekan FB9) / Prof. Nikolai Gerzen (FB3) / Prof. Martin Stosch (FB7) / Thomaz Vieira (FB1) / Gizem Demirhan (FB1) / Claus Rudolf Deis (FB3) / Markus Opitz (FB1) / Markus Dubbert (FB1) / Sebastian Plate (FB7) / Lena Reinhardt (FB7) / Martin Hackel (FB7) / Damian Löcke (FB3) / Niklas Huppa (FB3) / Victor Sardenberg / Frank Hadwiger / Elisabeth von Reden / Joachim von Reden











