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Zwischen den Antipoden analog und digital

"Mensch, Raum, Wirklichkeit" - unter diesem Thema stand das 10. PerceptionLab-Symposium der Hochschule OWL. Es fand am 20. Oktober vor etwa 100 Zuhörerinnen und Zuhörern auf dem Campus Detmold statt. In seiner Einleitung wies Prof. Ulrich Nether auf Herkunft und Wortfamilie des Wortes Wirklichkeit hin und fand dort mit "Wirken", "durchwirken" und "Gewerk" auch Verbindungen zu Raum und Architektur. "Wie wollen wir künftig leben", fragte Prof. Hans Sachs im Hinblick auf die Möglichkeiten der neuen Medien und Technologien, die derzeit Einzug in unsere realen Strukturen halten. Vor diesem Hintergrund werde die Stadt immer mehr zum Reallabor, meinte Prof. Axel Häusler und merkte an, ob vielleicht nur das wirklich sei, was wir eben nicht erlebten. 

Der Neurowissenschaftler Prof. (em.) Dr. Ingo Rentschler (LMU München) sprach von den Ergebnissen der Kognitionsforschung. Von Interesse sei hier vor allem die Frage, ob es neben Gedächtnissystemen für sprachliches auch welche für bildhaftes Wissen gebe. "Dies ist offenbar tatsächlich der Fall", so Rentschler. Räumliche Vorstellungen seien jedoch keine statischen Bilder. Sie entständen durch die zielgerichtete Verschränkung von passiv sensorischem und aktiv motorischem Verhalten. Das entspreche einem Kreisprozess von Wahrnehmen, Erinnern, Fühlen und Handeln - dem so genannten Gestaltkreis oder "perception-action cycle". 

Für einen kritischen Umgang mit den neuen Technologien plädierte Dana Georgiadis (Berlin). Sie stellte das szenografische Projekt "Rhizomat" vor, einen "Narrative Space" von der Szenografin Mona el Gammal, an dem Georgiadis als Produzentin mitwirkte. Das Werk bewege sich zwischen Theater und bildender Kunst. Im Herbst 2016 konnten einzelne Besucher über mehrere Etagen hinweg eine dystopische und doch sehr real anmutende Installation in einem ehemaligen Fernmeldeamt in Berlin erkunden. Ein Einblick in die Arbeit ist bei Arte zu sehen: https://sites.arte.tv/360/de/rhizomat-vr-360

Raum zum Hören zu bringen, das kann "Fluks", ein Instrument zur Erkundung räumlicher Wirklichkeiten. Es entstand unter Leitung von Jan Phillip Ley (HS OWL, Detmold). Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsschwerpunkt PerceptionLab und moderierte auch das Symposium. https://www.fluks-project.de/

Außerdem wurde während des Symposiums die Materialstudie "Real/Fake" von den Innenarchitektur Studierenden Tessa Sieker und Michelle Slabon vorgestellt. Darin zeigten sie die Ergebnisse einer in der Vertiefung Humanfaktoren im Masterstudiengang durchgeführten Untersuchung, in der mit 167 Probanden erforscht wurde, ob es einen spürbaren Unterschied zwischen Original und Imitat gibt. Zur Textilwahrnehmung sprach Katrin Kollodzey, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lehrgebiet Grundlagen Entwerfen an der Hochschule OWL. Sie stellte das Textile Atelier der Hochschule vor. In der praktischen Arbeit mit den Materialien und deren kreativen Bearbeitung widme sich das Textile Atelier Fragestellungen zur Wirkung von Textilien auf den Raum und den dazu in Dialog tretenden Menschen. Schließlich sei Textil der erste Raum des Menschen. 

Für einen optimistischen Ansatz im Umgang mit neuen Technologien machte sich Prof. i.V. Dr. Manuel Kretzer, Architekt und Experte für funktionale Materialien von der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig stark. Transformative Materialien und adaptive Systeme würden für die Zukunft des Entwerfens in der Architektur eine wichtige Rolle spielen. Interessante Einblicke hierzu gibt es unter http://materiability.com/

Kooperatives Entwerfen in virtuellen und vernetzten Umgebungen stellten Firat Ulus und Mathias Karuzys, Studierende der Hochschule OWL, vor. Gerade auch in der Architektur müssten Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) als Werkzeuge angesehen werden, die über den klassischen Einsatz im Entertainment-Bereich hinausgehen. 

In dem EU-Projekt "The People's Smart Sculpture PS2" werden Möglichkeiten ausprobiert, mit welchen Methoden der urbane Raum partizipativ gestaltet werden kann. Davon berichtete Martin Koplin, Direktor des Instituts für angewandte Medienforschung in Bremen. Erst die digitalen Medien hätten vielen gesellschaftlichen Gruppen Zugang zu stadtgestalterischen Prozessen ermöglicht. Die Tagung habe deutlich gemacht, dass die Wahrnehmung von Wirklichkeit sehr subjektiv sei, so der Moderator Jan Phillip Ley. Aufgeworfen wurden grundsätzliche Fragen für das gesellschaftliche Zusammenleben im Raum. Und genau dort spiele der gestalterische Aspekt eine große Rolle. Laut Ley war es ein "sehr inspirierender Austausch" über alle Disziplinen hinweg.

Text: Heide Teschner