Elektrische und elektronische Komponenten sowie Module in Fahrzeugen, intelligenten Fabriken und Telekommunikationsbasisstationen sind nach wie vor hauptsächlich physisch durch den Einsatz von Steckverbindern und Leitungen miteinander verbunden und haben daher eine enorme Bedeutung. Insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Automatisierung stellen Ausfälle von elektrischen Verbindungen ein hohes Gefahrenpotential dar. Im Betrieb sind diese Komponenten verschiedenen Vibrationsbelastungen ausgesetzt, je nachdem, wo sie eingebaut sind. Diese Vibrationsbelastungen wirken sich nicht nur direkt auf die Komponenten selbst aus, sondern auch indirekt über die angeschlossenen Leitungen. Durch das Schwingen der Leitungen können Mikrobewegungen der Kontakte in den Komponenten induziert oder verstärkt werden.
Untersuchungen im Rahmen des Forschungsprojektes „Einfluss von Mikrobewegungen auf Steckverbinder und deren robuste Auslegung“ (StRobA), das ebenfalls vom Labor für Feinsystemtechnik mit der Förderung des BMWK durchgeführt wurde, haben bereits gezeigt, dass die Einbaulage große Auswirkungen auf das Ausfallverhalten hat und dass die indirekten Auswirkungen über die Leitungen teilweise sogar überwiegen können. Als Folge der Mikrobewegungen kann Oberflächenverschleiß auftreten, der je nach Beschichtungssystem zu Reibkorrosion oder zunächst zum Durchreiben der Edelmetallschutzschicht mit anschließender Reibkorrosion führen kann. Diese Mikrobewegungen können durch Vibrationen des Bauteils, in dem die Verbindung verbaut ist, und Vibrationen der Leitungen und ihrer Übertragung auf die Komponenten hervorgerufen werden.
Im Forschungsprojekt StRobA wird deutlich, dass bei der Vibration keine Bewegung in eine eindeutige Richtung, sondern eine Überlagerung von Mikrobewegungen in verschiedene Richtungen erzeugt wird. Diese spezifischen Verschleißbilder aus Reibverschleißprüfungen werden verwendet, um die Verschleißmechanismen bei Vibrationsprüfungen zu untersuchen und rechnerisch abzubilden.
Es gibt verschiedene Einflussfaktoren, die die Mikrobewegungen in den Steckverbindern und somit das Verschleißverhalten beeinflussen. Dazu zählen die grundlegenden konstruktiven Merkmale, das Beschichtungsmaterial, die Oberflächenschmierung, der Aufbau des Gehäuses, Bewegungsrichtungen, angeschlossene Leitungen, der Leitungsaufbau, das Leitungsmaterial sowie die Art der Leitungsfixierung. Eine experimentelle Untersuchung der Auswirkungen all dieser Faktoren würde die finanziellen und labortechnischen Kapazitäten jedes Unternehmens übersteigen. Daher ist eine virtuelle Simulationsumgebung von großer Bedeutung. Sie ermöglicht es, diese Faktoren bereits in der Entwicklungsphase zu betrachten und zu bewerten. Dies ist besonders für kleine und mittlere Unternehmen, denen umfangreiche Voruntersuchungen zu kostenintensiv sind, aber auch für größere Unternehmen von hoher Relevanz. Diese virtuelle Simulationsumgebung ist zentraler Bestandteil des neuen geförderten Forschungsprojekts zur Analyse von Vibrationsbelastungen an Steckverbinder-Leitungssystemen.
Steckverbinder werden in verschiedenen Wirtschaftszweigen eingesetzt und gewinnen zunehmend an Bedeutung. Hier kommen Modelle zur Vorhersage der Kinematik, Dynamik und des Verschleißverhaltens zum Einsatz. Durch die experimentelle Validierung der modellbasierten Zustandsanalyse soll ein umfassendes Modell, ein sogenannter Digitaler Zwilling, entwickelt werden, um bereits im Konstruktionsprozess Fehler zu minimieren. Die Ergebnisse des Projekts stellen somit einen wichtigen Schritt hin zur künstlichen Intelligenz gestützten Produktentwicklung von Steckverbinder-Leitungssystemen dar. Dies soll die Entwicklung zuverlässiger Steckverbinder-Leitungssystemen vereinfachen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöhen. Zudem trägt es zur Stärkung des Innovationsstandorts Deutschland und zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei.
Das Labor für Feinsystemtechnik unter der Leitung von Professor Jian Song beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Themen rund um elektrische Verbindungstechnik. Zu den aktuellen Forschungsthemen zählen Kontaktphysik, Steckverbinder-Leitungssysteme, numerische und analytische Simulationen, Zuverlässigkeitsprüfungen, beschleunigte Tests, Schaden- und Zustandsanalyse sowie Schutzschichten und Basismaterialien. Die Ergebnisse dieser Forschung fließen zeitnah in die Lehre im Bereich Maschinenbau und Mechatronik ein und werden durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Industrieunternehmen in die Wirtschaft übertragen.