„Wir haben zwar keine Glaskugel. Wir haben aber die Kompetenzen, diesen Wandel mitzugestalten“, sagte TH-OWL-Präsident Professor Dr. Jürgen Krahl zu Beginn. Die Agrarwissenschaft, die Lebensmittelwissenschaft und die Lebensmitteltechnologie griffen an der Hochschule nicht nur ineinander, sondern schlügen auch die Brücke zwischen den Campi.
„Der Sustainable Campus Höxter ist ein wichtiger Partner für den Agrar-Forschungsstandort NRW“, unterstrich in diesem Zusammenhang Dr. Martin Berges, Staatssekretär im Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. „Wie innovativ wir bei der Weiterentwicklung der Landwirtschaft im 21. Jahrhundert sind, zeigen wir neben dem Studiengang zu Precision Farming hier in Höxter zum Beispiel auch mit unserem Forschungsnetzwerk NRW-Agrar oder dem Zentrum für Digitalisierung bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. All das hilft der gesamten Branche, den aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Ich freue mich, dass wir uns heute hier über landwirtschaftliche Innovationen aus Forschung und Technik austauschen, um die Nutztierhaltung und den Ackerbau noch zukunftsfähiger zu machen.“
Die in der Keynote „Innovationen in der Digitalisierung in der Landwirtschaft – Instrumente und Initiativen auf EU-Ebene“ von Dr. Doris Marquardt, European Commission Programme Officer – EU Policies, sowie im Vortrag „Transformation der Landwirtschaft im Bereich des Pflanzenschutzes“ von Professorin Dr. Sabine Andert, Leiterin der Abteilung für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland am Julius Kühn-Institut, gesetzten Impulse wurden in anschließenden Workshops aufgegriffen. Unter anderem ging es hierin um die für das Precision Farming notwendigen (Agrar-)Daten, mit denen sich Künstliche Intelligenz trainieren lässt, sowie um einen vernünftigen, selektiven und sparsamen Einsatz unterschiedlicher Pflanzenschutzmittel vor dem Hintergrund sich entwickelnder Resistenzen. Um die Umsetzungsmöglichkeiten der europäischen Perspektiven in der regionalen Landwirtschaft zu diskutieren, befassten sich die Teilnehmer:innen des Symposiums mit den Themenfeldern Digitalisierung in der Landwirtschaft, Pflanzenschutz, Wasserwiederverwendung und Klimawandel.
Rückblick Workshops
Professor Dr. Martin Oldenburg fasste die Ergebnisse des Workshops „Wasserwiederverwendung“ wie folgt zusammen: „In den Statements zum Thema Wasserwiederverwendung wurde zunächst festgestellt, dass ein Bedarf für Bewässerung derzeit nur für Sonderkulturen wie Obst und Gemüse gesehen wird. Daher wird im Kreis Höxter bislang wenig Wasser für Bewässerungszwecke verwendet. Zudem sind mit der Einrichtung eines Bewässerungssystems hohe Kosten verbunden, die den Einsatz von Bewässerungssystemen derzeit als wenig attraktiv erscheinen lassen. Der Klimawandel wird diese Situation jedoch verändern, weswegen die Auseinandersetzung mit der Thematik notwendig wird. Derzeit können die regionalen Landwirtschaftsbetriebe Verluste aufgrund von Dürre beziehungsweise Wassermangel noch kompensieren. Es ist jedoch absehbar, dass die Relevanz der Wiederverwendung von Wasser aus kommunalen Quellen als Thema für die Landwirtschaft zunimmt. Die interne Wasserwiederverwendung ist dagegen bereits heute wichtig und – beispielsweise als Spülwasser bei Produktwäschen – bereits heute im Einsatz. Forschungsbedarf sehen die Workshopteilnehmer:innen in der Kopplung von Wasserbereitstellung mit Erosionsschutz – beispielsweise durch eine dezentrale Zwischenpufferung und Bereitstellung für Bewässerungsaufgaben bei Starkregenereignissen – und in Effizienzsteigerungen der Bewässerung durch Digitalisierung.“
Im Nachgang des Workshops „Klimaschutz“ berichtete Professor Dr. Klaus Maas: „Im Workshop Klimaschutzziele wurde die Leitfrage diskutiert, in wie weit in der Landwirtschaft zur Erreichung der Klimaschutzziele beigetragen werden kann. Einleitend wurden dazu durch den Moderator zwei Begriffe eingeordnet. Der Begriff der Digitalisierung erschien relevant, da am Hochschulstandort Höxter mit dem Studiengang Precision Farming ein starker thematischer Fokus auf der Digitalisierung liegt und am Ende des Symposiums als ein Ergebnis stehen sollte, wie aus dem Studiengang heraus die Entwicklung der Landwirtschaft mitgestaltet werden kann. Digitalisierung wurde hinsichtlich des Durchdringungsgrads kategorisiert, um einzuordnen, in welcher Kategorie Digitalisierung zur Erreichung der Klimaschutzziele auf konkreter Ebene beitragen kann. Eine wichtige Grundlage der Digitalisierung ist die Erfassung von Datenströmen in Echtzeit und in eingebetteten Systemen. Ein nächster Entwicklungsschritt stellt die zunehmende Vernetzung dieser Systeme dar. Mit zunehmendem Durchdringungsgrad und damit verbundener Komplexität sind weitere Aspekte die Sichtbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Datenströme, eine Transparenz der Verarbeitung der Datenströme mit Machine Learning und überwachtem Lernen, die Richtigkeit und Kausalität prädiktiver Modelle in der Anwendung von bestärkendem Lernen und selbstlernenden Agenten sowie die zuverlässige Anwendbarkeit von Künstlicher Intelligenz und darauf basierenden Services.
Als zweites Begriffsfeld wurden die Klimaschutzziele angesprochen. Zunächst wurde der geeignete Kontext festgelegt, in dem Forschung und Transfer einer Hochschule für Angewandte Wissenschaft wirksam werden kann. Als zu abstrakt wurden bspw. die Klimaschutzziele der Wissenschaft, der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union eingeordnet. Konkreter sind die formulierten Ziele der Bundespolitik, bspw. mit dem Klimaschutzprogramm 2030, welches im Jahr 2019 zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 konkrete Handlungsfelder beschreibt. Diese Handlungsfelder umfassen die Senkung des Stickstoffüberschusses und der Ammoniakemission, die Erhöhung des Anteils gasdichtgelagerter Gülle, die stärkere Vergärung von Wirtschaftsdüngern, den Ausbau des Ökolandbaus, die Verringerung der Treibhausgasemissionen in der Tierhaltung sowie die Energieeffizienz in der Landwirtschaft. Die beiden letzten Punkte sind in weiteren Unterpunkten heruntergebrochen.
Die Diskussion im Workshop war lebhaft, jedoch nicht kontrovers. Angesichts des beschränkten Zeitrahmens konnten die im Input vorgestellten Handlungsfelder nicht umfassend besprochen werden. In einem ersten Gesprächsteil wurde vor allem die Datenauswertung adressiert. Diese sei schon weit ausgeprägt, der Nutzen für die Landwirte sei jedoch nicht immer ersichtlich. Hier könne durch die Hochschule dazu beigetragen werden, die Nutzbarkeit der Daten zu erhöhen. Dazu seien nicht unbedingt größere Forschungsprojekte nötig, sondern eher direkte Transfermaßnahmen. In jeglicher Hinsicht der Datenauswertung sei Vertrauen eine wichtige Grundvoraussetzung. Mit der Bereitstellung von Daten dürfe beispielsweise nicht die Sorge vor einer Bürokratisierung der eigenen Arbeitsprozesse verbunden sein. Ein weiterer angesprochener Aspekt galt dem Wissenserhalt in der Daten- und Prozessauswertung. Dieser sei meist über „Köpfe“ gewährleistet, müsse jedoch hinsichtlich eines Generations- und auch Strukturwandels über digitale Anwendungen gesichert werden. Auch hierzu könne die Hochschule wichtige Impulse liefern. Weitere Themen wurden kurz andiskutiert, wie bspw. der Umstieg auf Elektroantrieb landwirtschaftlicher Geräte, die pflanzen- und tierspezifische Bewirtschaftung bzw. deren Monitoring oder die KI-gestützte Datenauswertung. Ganz ohne Zweifel wurde im Workshop die Themendichte und die Relevanz zahlreicher Themen im Kontext Landwirtschaft und Klimaschutzzeile deutlich.“
Über den Workshop „Digitalisierung und Pflanzenschutz“ berichtete Professor Dr. Burkhard Wrenger im Nachgang: „Die Spannbreite von Werkzeugen für Digitalisierung in der Landwirtschaft ist breit und wächst weiterhin. Einfache Lösungen sind über Apps auf Smartphones verfügbar, für aufwändigere Lösungen sind Anschaffungen teilweise mit sehr hohen Kosten verbunden. Dementsprechend sind auch heute noch viele Landwirtschaftsbetriebe nicht oder nur in geringem Umfang digitalisiert. Vergleichsweise häufig werden in der Außenwirtschaft Digitale Ackerschlagdateien oder Farmmanagementsysteme eingesetzt. Chancen sehen die Workshopteilnehmer:innen in der Digitalisierung als Antwort auf den Fachkräftemangel sowie in Produktions- beziehungsweise Effizienzsteigerungen oder einem verbesserten Bodenschutz. Zudem sind datenbasierte Betriebsoptimierungen möglich. Diesen Chancen stehen jedoch auch Herausforderungen gegenüber. Dazu gehören die notwendigen (technischen) Weiterbildungen der Fachkräfte oder die Alltagstauglichkeit und Robustheit der Systeme. Die für den Einstieg oder Weiterentwicklung der Digitalisierung erforderliche werden jedoch ebenso genannt wie die hohen Einstiegskosten. Als externer Faktor wird bei den Herausforderungen auf den teilweise unzureichenden Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur auf den Agrarflächen verwiesen. F&E-Bedarf sehen die Teilnehmer:innen bei der Sicherheit der Feldroboter sowie bei Zulassungsprozessen für Maschinen und Betriebsmittel.
Die Nutzung und Monetarisierung von Daten über (internationale) Datenräume ist für die meisten Landwirtschaftsbetriebe derzeit kein relevantes Thema. Sie sehen diese als Thema und Aufgabe der Anbieter von Landmaschinentechnik und Agrardienstleistungen, die aus ihrer Sicht im Hintergrund laufen und die eigene Arbeit unterstützen. Die TH OWL sieht in diesem Aspekt daher ein wichtiges Feld für die anwendungsorientierte Forschung, da sie eine wichtige Grundlage für die weitere Datennutzung darstellt.“
Wasserwiederverwendung, Klimawandel und Digitalisierung
Zusammenfassend kann man sagen, die von den Teilnehmenden als sinnvoll erachtete Wiederverwendung von Wasser erfordert ein intensives Monitoring der Wasserqualität und erfordert letztendlich ein Life Cycle Assessment (LCA) für Wasser. In diesem Zusammenhang werden auch Frühwarnsysteme sowie Simulations- & Prognosemodelle als Entwicklungsziele genannt. Diese müssen nach Auffassung der Teilnehmenden durch verbesserte Wassereinsparungsansätze ergänzt werden.
Den Herausforderungen durch den Klimawandel kann man teilweise durch Feld- beziehungsweise teilflächenspezifischen Anbau begegnen. Dafür sind standortspezifische Folgeabschätzungen und auch angepasste Fruchtfolgeplanungen sinnvoll.
In beiden Bereichen – Wasserverwendung und Klimawandel – wurde darauf hingewiesen, dass neben Grünland und Ackerwirtschaft auch das Tierwohl zu berücksichtigen ist und datenbasiert unterstützt werden kann.
Im Bereich Pflanzenschutz und seiner Unterstützung durch Digitalisierung stehen viele Technologien schon heute zur Verfügung, die eine technisch und digital unterstützte Applikation von Pflanzenschutzmitteln ermöglichen. Dazu zählen Globale Satellitennavigationssysteme wie GPS, Spot-Spraying und viele KI-Werkzeuge für die (Echtzeit-)Auswertung von Daten. Die kamerabasierte Erfassung des Ist-Zustandes auf den Acker- und Grünflächen ist Stand der Technik und bei Landwirtschaftsbetrieben bereits vielfach im Einsatz.
Auch die Verfügbarkeit biologischer Wirkstoffe trägt zu einer guten Ausgangsbasis bei. Die Teilnehmenden des Workshops sehen demzufolge auch sehr gute Chancen, die Menge der ausgebrachten chemischen Pflanzenschutzmittel zu reduzieren und die Wirksamkeit der Wirkstoffe zu erhalten. Resistenzmanagement ist eine wichtige Aufgabe, die durch Digitalisierungsansätze unterstützt werden kann. Landwirtschaftsbetriebe erwarten allerdings auch, dass bei nicht-chemischen Pflanzenschutzmethoden die Wirksamkeit im Vergleich zu den bisher üblichen Ansätzen nicht sinkt. Als weitere Herausforderungen werden hohe Investitionen und die zumindest gefühlt langsamen Zulassungsprozesse.
Die gesellschaftliche Akzeptanz von Drohnen und Feldrobotern ist derzeit eine offene Frage, der sich die Forschung ebenso widmen sollte wie der zunehmenden Unsicherheit vieler Landwirtschaftsbetriebe bezüglich politischer Vorgaben sowie ihrer eigenen Zukunftsfähigkeit, wie Professor Wrenger sagte.