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Gemeinwohl statt maximaler Gewinn: Studierende beraten Unternehmen

Immer mehr Unternehmen wollen ihren Erfolg nicht mehr nur am eigenen Gewinn messen, sondern auch an der sozialen Verantwortung, die sie übernehmen. Studierende der TH OWL beraten fünf Pionier-Unternehmen aus dem Kreis Höxter bei einer Gemeinwohl-Bilanz

Was würde sich verändern, wenn Unternehmen nicht mehr ausschließlich auf ihren Gewinn, sondern auch auf ihre soziale Leistung schauen würden? Genau das wollen fünf Unternehmen aus dem Kreis Höxter jetzt ausprobieren. Sie erstellen für ihr Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz und lassen sich dabei von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe beraten. "Der Ansatz passt sehr gut zu unserem Familienbetrieb. Dadurch wollen wir auch unser Umwelt-Engagement sichtbar und bewertbar machen und neue Entwicklungspfade aufzeigen“, beschreibt Andreas Schöttker seine Motivation. Der Geschäftsführer der Vinsebecker Graf Metternich Quellen nimmt mit seinem Team ebenso am Pilotprojekt teil wie die Lebenshilfe Brakel, der Biolandhof Engemann aus Willebadessen und die beiden Steinheimer Unternehmen Petersilchen und Chemical Check.

Gemeinsam mit Studierenden des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Technischen Hochschule OWL wollen sie das Bilanzsystem der Gemeinwohl-Ökonomie auf ihre Unternehmen anwenden. Dabei wird bewertet, welchen Beitrag ihre Organisation zu Werten wie Menschenwürde, Transparenz, ökologische Nachhaltigkeit und Solidarität leistet. Und natürlich auch, wo es noch etwas zu verbessern gibt. Chemical Check-Geschäftsführerin Karen Schnurbusch erläutert: „Die Gemeinwohl-Bilanz ist uns wichtig weil wir mitwirken möchten, diese Erde für alle zu erhalten, weil wir zu einem Miteinander kommen möchten, weg von immer schneller, immer höher, immer weiter.“ Eine weitere Motivation sei, dass „der von uns gelebte differenzierte Ansatz uns als Arbeitgeber attraktiver macht.“

Zusammengeführt wurden Hochschule und Unternehmen im Rahmen eines EU-geförderten Projekts der „Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie NRW“. Referent Christoph Harrach beschreibt die Vision: „Wir stehen vor großen Herausforderungen, global ebenso wie hier vor Ort im Kreis. Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein interessanter Weg, die eigene Organisation im Hinblick auf verantwortungsvolles Wirtschaften weiterzuentwickeln.“ Das sieht auch BWL-Professorin Dr. Elke Kottmann von der TH OWL so: „Die Gemeinwohlbilanz ist ein interessanter Ansatz für alle Organisationen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen. Der Umgang mit diesem Rating-Tool ist für unsere Studierenden sicher eine wichtige Erfahrung. Wir sind gespannt wie das neue Angebot angenommen wird.“

Die gemeinsame Arbeit, bei der die Unternehmen sich auch untereinander austauschen, beginnt mit dem aktuellen Wintersemester. Am 7. Oktober haben sich Unternehmer, Wissenschaftler, Studierende und die Vertreter der Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie an der TH OWL zum Auftakt getroffen. Zunächst werden den Studierenden im Modul „Markt und Wettbewerb mit Schwerpunkt Gemeinwohlökonomie“ Grundlagen vermittelt, insbesondere das Format der Gemeinwohl-Kompaktbilanz. Dieses Wissen können die Studierenden im Anschluss unmittelbar in den Unternehmen anwenden. In einer Gruppenarbeit begleiten sie die fünf Pilotunternehmen bei ihrem ersten Gemeinwohlbericht.

Die Unternehmen veröffentlichen anschließend ihre Berichte und erhalten ein Testat. Ein Konzept, das offenbar den Nerv vieler Betriebe trifft: „Es gibt schon eine Warteliste für die nächste Runde“, zeigt sich Organisator Christoph Harrach zufrieden. „Weitere Anfragen sind aber trotzdem willkommen."

Die Gemeinwohl-Ökonomie ist eine 2010 gegründete zivilgesellschaftliche Bewegung. Sie ist demokratisch organisiert und wird als lernendes System in Arbeitskreisen und einem weltweiten Netz von Regionalgruppen beständig weiterentwickelt. Ihr Ziel: Unternehmen, Kommunen und Bildungseinrichtungen dabei zu unterstützen, ihre Tätigkeit stärker mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit sowie demokratischen Grundwerten in Einklang zu bringen.Die Vision der Gemeinwohlregion Kreis Höxter wird als LEADER-Projekt mit EU- und Landesmitteln gefördert. Es ist auf zwei Jahre befristet, läuft also bis 2020. Getragen wird das Projekt von der gemeinnützigen Stiftung Gemeinwohl-Ökonomie NRW.